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Umbau Altes AKH zum Universitätscampus
ARGE ARCHITEKTEN ALTES AKH
Hugo Potyka
Friedrich Kurrent + Johannes Zeininger
Sepp Frank mit Rudolf Zabrana
Ernst M. Kopper
Baukünstlerischer Koordinator:
Friedrich Kurrent
Technisch-geschäftlicher Koordinator:
Ernst M. Kopper
ARGE-Büroleitung:
Johannes Zeininger
Projektchronik
- Nutzbarkeitsanalyse 1987-1988
- Schenkung 1988
- Leitprogramm, Gutachterverfahren 1990-1992
- Raum- und Funktionsprogramm 1991
- Bestandsaufnahme 1992-1994
- Planungsbeginn Herbst 1992
- Absiedlung, Abbrucharbeiten 1995
- Baubeginn Sept. 1995
- Teilinbetriebnahme Höfe 8 + 9 1997
- Gesamtinbetriebnahme Höfe 1 - 7 Sommer 1998
- Nettoherstellkosten ca. 830 Mio öS
Leitprojekt Friedrich Kurrent mit Zeininger & Zeininger aus dem Gutachterverfahren 1990
Die Leitidee des Beitrags war die Umstrukturierung des
Anstaltareals zu einem vernetzten Stadtraum. Mit neu zu
schaffenden Durchstichen parallel zur Alserstraße wurde
versucht eine von der Dimension städtischer Baublocks
abgeleitete Wegestruktur in das Areal einzulagern. Die bisher
durch das 10 Hektar große Betriebsgelände in
Verbindung mit dem angrenzenden Areal des Garnisonspitals
geteilten Stadtbereiche des 9. Bezirks waren zu verbinden und das
Areal an das Stadtzentrum und die bestehenden Hautgebäude
der Universität an Ring und Währingerstraße
anzubinden. Als radikaler städtebaulicher Ansatz wurde in
dieses System auch das Areal der Neuen ÖNB (ehemaliger
Wirtschaftshof des Alten AKH) einbezogen, die als
städtischer Baublock von öffentlichem Straßenraum
umgeben, die städtische Struktur übernimmt.
Im Bereich Sensengasse/ Spitalgasse überlagern sich diese
Verbindungsachsen mit einem hier noch teilweise erhaltenen
geologischen Terrassenrücken des Wiener Donaubeckens, die
analog der Strudlhofstiege mit Stiegenanlagen auch räumlich
erlebbar gemacht werden sollten.
Neben einer Entrümpelung sämtlicher Höfe von
parasitären Einbauten, die durch die neue Aufgabenstellung
ihre Nutzung einbüßten wurden im universitär
genutzten Bereich der Höfe 2 - 9 Zubauten nur in den
Höfen 8 + 9 vorgeschlagen. Dieser Bereich (2. Bauetappe in
der 1. Hälfte des 19. Jhd.) hat bereits ein 2. Obergeschoss
dem zur Erweiterung der 1-hüftigen Nutzung sogenannte
"Vorgelege" zur evizienten Nutzflächenerhöhung
vorgestellt wurden. Diese wurden als Skelettkonstruktion mit
leichten Glasfassaden geplant.
Der 2. Hof wird durch seine bereits 3 vorhandenen
Hörsäle mit einem weiteren Hörsaal ausgestattet
und als zentraler Ort des Campus (Universitätsforum) als
großteils harter Platz vorgeschlagen um dem Nutzungswechsel
und der großen Studentenzahl Rechnung zu tragen.
Im 1. Hof ist entsprechend den Vorgaben aus dem Leitprogramm
die kommerzielle Nutzung der Gebäude und eine Adaptierung
der Grünfläche als Naherholungsfläche für die
umliegende Bevölkerung vorgesehen. Die Geschäfte sind
ausnahmslos in den Hof hin orientiert. Bis auf die schlichten
neuen Durchgänge ist kein Umbau der Straßenfassade
vorgesehen um die Charakteristik und Dimension des
Gebäudekomplexes im Straßenraum zu erhalten. Bei den
geforderten Verkaufspavillons wurde versucht, sie in die
Grammatik der bestehenden Bebauungsstruktur einzubinden und die
Hauptachse der Anlage mit der 4-reihigen Allee möglichst
frei zu spielen.
Georg Schöllhammer
Die Transformation
Die Ausarbeitung ortsgebundener Identitäten für
Stadtviertel ist in einer Welt schwindender räumlicher
Hindernisse für Austausch, Bewegung und Kommunikation nicht
unwichtiger, sondern wichtiger geworden. Wenn Friedrich Kurrent
in seinem Beitrag in diesem Baubericht schreibt, dass anders als
vor drei Jahrzehnten Altstadterhaltung und Stadterneuerung heute
kein Gegensatzpaar mehr bildeten, sie sich vielmehr
ergänzten und wichtige Betätigungsfelder für
Architekten und Stadtplaner geworden seien, ist das sicherlich
wahr. Die Architekturdiskussion die Mitte der siebziger Jahre
begann und später unter dem irreführenden Namen
Postmoderne bekannt wurde, hat ganz sicher wesentlich dazu
beigetragen. Allerdings scheint mir, dass dieser Konsens zwar
hergestellt ist, Architektur und Städteplanung allerdings
wieder in einer Krise sind. Und gerade deswegen könnte
dieser Werkbericht mehr sein, als die Geschichte einer gelungenen
Anstrengung in diesem Feld: das Protokoll eines Verfahrens gegen
die rein ökonomistisch begründete Konjunktur des
architektonisch meist spektakulären, räumlich und
städtebaulich wie sozial meist desaströsen Baubooms von
Großprojekten, die ihren Umraum fatal verändern und
das Berufsbild des Städtebauers durch das des Developers
ablösen halfen.
Die vermeintliche Kompetenzausstattung der Architektur heute
als Stadtbildproduktionsfirma; die Selbstermächtigung ihrer
StarautorInnen als moralische Platzhalter für Alles und
Jedes; die Konformität des Nonkonformen oder anders gesagt:
die freiwillige Übernahme der Fremdbestimmung und
gesellschaftlichen Indienstnahme im Modus der Selbstbestimmung
der Spektakelarchitektur kann dabei kaum unterlaufen werden. Das
Erwartungskalkül der öffentlichen Auftraggeber von
Stararchitektur fällt dabei leider so oft mit dem
Selbstbestätigungsbedarf der ArchitektInnen zusammen, was
ein derartiges Unterlaufen meist verhindert. Sage keiner, es gebe
keine festgefügten Professionalisierungszwänge und
Berufsrollen.
Die Schnittstelle der Krise von Stadterhaltung und
Stadterneuerung, die Star-Architekten-Hausse ab Ende der 80er
Jahre, war Ausläufer der Architektur-als-Bild-Hausse jener
damals nur mehr medial vermittelten Postmoderne. Einer
Architektur, die Strukturgedanken und typologische
Erwägungen zugunsten einer Forcierung der Morphologie von
Gebäuden marginalisiert hatte und in der Planung nicht mehr
als das Produkt analytischer Überlegungen gesehen wurde,
sondern die Bildinformation der Projekte und der in ihnen
ausgedrückten Stadtmodelle und Dienstleistungen als
ausschlaggebend gehandelt wurden.
Aber nicht nur die Stadtplanung, auch die Immobilienszene
kämpft heute mit grundsätzlichen Problemen.
Überkapazitäten an Büroflächen und Bauland
und strukturelle Prozesse in der Entwicklung der Städte,
deren Folgen noch nicht absehbar sind, aber wohl kaum gutes
versprechen, sind deutliche Zeichen davon. Trotzdem aber zieht
sich nach wie vor die Differenz zwischen gutem Bauen und
Feilschen um den Preis quer durch die Gesellschaft. An dieser
Differenz entzündet sich die Architektur. Und diese
Differenz betreut die Ökonomie.
Nirgends ist die Notwendigkeit für die Rückeroberung
realer Denkorte von Stadtplanung und -erhaltung, die sich gegen
diese Entwicklungen richten offensichtlicher, als wenn darin die
Dynamik der wirtschaftlichen Macht sich aufspielt, die definiert
ist als die Fähigkeit, sowohl die Preise von Import
(Gestaltung) und Output (Produkt) als auch deren Angebote zu
beeinflussen.
Als ich dieses Frühjahr zum ersten Mal durch den neuen
Eingang an der Seitenflanke des Otto Wagner Platzes in den
halbfertigen Komplex, in die Höfe des neuen Uni-Campus
schlüpfte - für meine Generation wird er wohl nach wie
vor das Alte AKH heißen, aber das mag ein allzu
sentimentales Verhältnis zur Sprachtopographie dieser Stadt
sein - war ich zu erst einmal erstaunt. Ich hatte über die
Jahre nicht wahrgenommen, dass das Projekt, über das ich
nach der Entscheidung des Wettbewerbes (ich war damals
Architekturkritiker einer Wiener Tageszeitung) berichtet hatte
offenbar wirklich so realisiert wurde, wie damals vorgeschlagen.
Über die Jahre hin hatte ich davon nichts bemerkt.
Schließlich war der Ort irgendwie aus der Stadt, eine
innere Peripherie, undurchlässig und daher abseits. Schon
von außen hatte ich mich gewundert: Wie war es zu schaffen
gewesen, dass weder an der Alserstraße noch an der
Spitalgasse sich Verwertungsinteressen durchgesetzt hatten, wie
konnte die dem Vorbeigehenden so monoton erscheinende Fassade,
ohne die Abwechslungen für den schnellen Blick erhalten
werden? Wie war es gelungen, dieses architektonische Merkzeichen,
dass Gesellschaft auch etwas anderes meint als Ökonomie, dem
Zugriff letzterer zu entziehen? Mein Blick fiel, vielleicht weil
ich gerne über Oberflächen denke, gleich die
renovierten Fassade des ersten Hofes entlang. Ihr Putz streute
das milde Frühjahrslicht, nahm es auf, modulierte es, gab
ihnen jene Tiefe zurück, die ich so schmerzhaft vermisste,
seit so viele Fassaden alter Bauten in der Stadt mit neuen
Materialien sich plastifiziert dem Licht verschließen. Nie
hatte ich früher auch wahrgenommen, dass der große Hof
in einer eigenartig unsymmetrischen Ordnung geplant gewesen war,
dass die Risalite mit ihrem leichten Spiel von Licht und Schatten
etwas über die Brüche aufgeklärter Ordnung
hätten sagen können. Denkwürdig hob sich diese
Baufigur von der Collage des Innenraumes, den sie umschloss ab.
Allerdings sah ich dort schon eine neue Struktur entstehen, die
die Ruhe dieser Blickverbindungen ein wenig störte, die
innere Peripherie sozusagen ökonomisierte. Das
Weiterschlendern brachte weitere Überraschungen: In den
Höfen hin zur Garnisongasse hatte sich eine westliche
Stimmung breitgemacht. Das alte Haus war erweitert,
neuinterpretiert, der Außenraum geregelt und die
Farbgestaltung der Fassaden der neuen angelehnten Räume
kontrastierte die Tiefe der Substanz. Wie ein vorgehängter
Teppich, ein angelehntes Statement über die Möglichkeit
von Transparenz und Opakität in einer sonst so verputzten
und neuerdings chromnickelglänzenden Stadt. Immer aber
konnte ich dahinter die ursprüngliche Figur sehen, die neuen
Räume spielten ihr Spiel gelassen und mit Respekt
gegenüber dem, dem sie vorgelegen waren. Ich verließ
das Areal in der Van Swieten- Gasse, etwas orientierungslos, weil
ich dort wo ich einen Ausgang gesucht hatte, keinen fand und
weiter musste, vorbei an der Fassade der neuen Gelddruckerei der
Nationalbank, die neben der nahezu ruralen blickdifferenzierten
und zurückhaltend schillernden Altsubstanz auf mich ein
wenig so wirkte, als hätte sich unbotmäßig eine
große Limousine vor ein Franziskanerkloster geparkt.
Der Eindruck blieb.
Ich hatte mich schon während meines Spazierganges zu
fragen begonnen: Welche Denkoperationen der Gestalter hatten sich
in dieser Planung, die ich fast realisiert gesehen hatte,
abgespielt. Wo hatten sie ihre Prämissen setzen müssen?
Von den unwiederholbaren Ausgangsvoraussetzungen eines Ortes, wie
immer er definiert ist, ausgehen? Die übliche Delegierung
von Autorschaft an die Bedingungen des Ortes, die Umformung der
zentralen Rolle des Architekten der jetzt in die Gestalt eines
"stummen" Managers oder Regisseurs schlüpft, annehmen?
Hatten sie gleich mit dieser, oder gerade aufgrund dieser
methodischen und prozeduralen Verschiebungen erkannt, dass hier
die Chance bestand, dass Architektur in ihrer zentralen Rolle als
Erzeuger von Bedeutung wiedererstehen könnte. Entstanden im
Verlauf dieses Prozesses neue Kenntnisse und neues Wissen und
neue Lösungsansätze, die wiederum Rohmaterial für
ein neuerliches Durcharbeiten dieser Import-Substitution wurden?
Traf das auch da zu, wo im Rahmen einer Zusammenarbeit mit den
Auftraggebern und Behörden Autorschaft an andere
übertragen wurde, oder wo der institutionelle Zusammenhang
in der Arbeit reflektiert werden musste, weil er ihre Grenzen
setzte?
Irgendwie war dieser Um- und Neubau auch deswegen so
erstaunlich, weil er dem widersprach, was andernorts immer als
unvermeidliche Konsequenz postfordistischer Planungsarbeit
gesehen wird: Insofern die urbane Identität immer
"dünner" werde, sei es erforderlich Werbe- und
Marketingagenturen anzustellen, um Unterscheidungen zu
fabrizieren. In einer Welt jenseits von Differenzen sei alles
eine Frage der Unterscheidung. Und das Spektakel Architektur sei
einer der Garanten, diese Unterscheidbarkeit noch zu
schaffen.
In solch einem Kontext erhält der Umgang mit
Ortsgebundenheit, wie er von den Architekten des Uni-Campus
gepflegt wurde eine neue Relevanz, weil er den Ort mit
Unterscheidungsmerkmalen ausgestattet hatte, die aus seiner
Geschichte kamen und nicht durch solche, die Geschichte
darstellen wollen. Standortbewusstsein und Architektur, die
diesem den Hauch der Einzigartigkeit gibt - auf Städte, die
sich im Rahmen der konkurrenzgeprägten Neustrukturierung der
globalen ökonomischen Hierarchie profilieren müssen,
üben diese beiden Qualitäten gewöhnlich einen
hohen verführerischen Reiz aus. Architektur ist in diesem
Verständnis unauflöslich an eine Entwicklung
geknüpft, welche die Besonderheit und Identität von
Städten im Sinne der Produktdifferenzierung verwertet.
Es gibt allerdings auch andere strukturschaffende Prozesse,
die aus dezentralisierten Ansammlungen heterogener Komponenten
resultieren. Um die scheint es den Planern des Uni-Campus
gegangen zu sein.
Was die Gestalter dieses Quartiers offenbar als
Managementkapazität in den Planungsprozess einbrachten war
aber noch viel mehr: Es war das Wissen, dass es kein
wirtschaftliches Verhalten gibt - wie es von den Bauherren unter
der Prämisse, hier gehe es nicht um Architektur , sondern um
die bautechnisch kostengünstigste Aufbereitung von
Raumreserven für eine sehr allgemein definierte Nutzung
moniert worden war - das sich ausschließlich am Preis und
nicht auch an Beziehungen orientiert, die man in einem
urbanistischen Sinn aufrechterhalten muss. Und zwar auch, um
dadurch die erratische Position des Komplexes nicht in
Kapitulation vor dessen angewachsener Überformung durch die
Geschichte durch seine Nutzung und deren Spuren, als auch die
fatalen Folgen der aus der schleifenden Marginalisierung des
Krankenhauses als Teil der Stadt zu akzeptieren, sondern diese
Raumfigur als das bestimmende Ausgangsmaterial ihrer
Überlegungen wieder freizulegen. Irgendwie teilt ja das alte
AKH das Schicksal des Messepalastes und fast ein wenig das des
Neugebäudes: Sie sind alle aus der realen Benutzung der
Stadt weggeschobene, verdrängte Barrieren, Riegel gegen die
Figur der zentripedalen Stadt geblieben, weil sie durch ihre
Sondernutzung und durch ihre die Dimensionen der städtischen
Blocks sprengenden Formate das sonst so feine Gefüge von
Zentrum und den beiden Ringen der ehemaligen Vorstädte
empfindlich gestört haben, wie nur noch die Eisenbahnbauten
des letzten Jahrhunderts.
Was innerhalb dieses Planungsprozesses nicht sichtbares, also
auch nicht architektonisches Zeichen geblieben ist, ist die
bedankenswerte Beharrlichkeit, mit der sich die Planungsgruppe
gegen das Diktat eines utilitaristischen, und daher schon
historisch verspäteten Ökonomismus in den Vorgaben
gewehrt zu haben scheint. Die Auftraggeber wurden zwar nicht
müde zu betonen, dass ihr Begehren nicht Architektur sei,
der Uni-Campus nicht Träger von deren symbolischen Kapital
werden solle (worin sich die Auftraggeber zaghaft unmodern
zeigten, selbst das hit and run- Verhalten international
tätiger Investoren, die keinerlei lokale Bindungen haben und
daher auf keine örtliche Tradition Rücksicht nehmen
müssten, akzeptiert letztlich heute zumindest die Ordnung
des eigenen Hauses, die Regeln der symbolischen Investitionen),
sondern die alleinige Legitimationsstrategie der Planung die
Lösung der drückenden Raumnot der Universität sei.
Architektur habe nur und ausschließlich ihre
Übertragbarkeit auf die Corporative Philiosophie einer
öffentlich zur Sparsamkeit aufgerufenen Institution zu
beweisen.
Gestaltung ist in diesen Zusammenhängen unbedingte
Differenzierungsaufgabe. Das Geschick der sehr heterogenen
Planungsgruppe war es , im Verlauf des jahrelangen
Nachverhandelns von Optionen, die eben doch auf eine
interpretative Rekonstruktion zielten, aufzudecken, dass dies
falsch gewesen wäre. Es gab, als Option der Planung
sicherlich nur diese beiden Möglichkeiten: den Versuch in
den Komplex AKH hineinzukommen, und den Versuch, im Komplex AKH
drin zu bleiben. Revitalisierung, Umbau und Neunutzung,
Stadterhaltung also konnte eben nicht nur das Konzept des Areals
und der Bebauung regeln oder ändern, sondern musste auch die
Übergänge in dessen Nutzung und in der Definition der
Figur für die soziale Benutzung der Stadt mit historischem
Gewissen neu beschreiben.
Das gewohnte Kalkül aus vorgeschobener
Erwartungssteigerung und nachgeschobener ökonomisch
begründeter Rationalisierung musste sich angesichts des
Leerlaufs der Erwartung von Verwertbarkeit neue Ansatzpunkte
suchen: Die Architektengemeinschaft plädierte im Verlauf der
Planungsarbeiten für ein "Selbstverhältnis" des Baus zu
seiner Geschichte und zu seiner Funktion im Stadtraum, mit dem
sich einerseits die Tücken voluntaristischer Setzungen
seitens der Bauherren vermeiden lassen sollten, die aber
andererseits so offen waren, sicherzustellen, dass die Bauaufgabe
nicht unter den Zwängen normativer Kategorien verendet.
Durch die Spaltung in verschiedene Regimes, die das Sichtbare
unterschiedlich ordneten - Typologisierung, Renovierung,
Neuinterpretation durch Zubauten, Auswechslung und nicht Erhalt
von Strukturelementen des Innenausbaus, Abkopplung der
haustechnischen von der räumlichen Struktur - wurde die
Bausubstanz selbst zur Repräsentationsebene der Planung.
Damit konnte die Illusion einer ungestalteten Instandsetzung
irritiert werden. Erst vor diesem neu geschaffenen Handlungsfeld
in dessen Hintergrund sich eine künstlerische Intervention
abzuzeichnen begann, konnte "eine distanzierende Struktur, die
Raum für kritische Analysen schafft", eine Typologie, ein
Framing entwickelt werden, das sowohl den funktionalen als auch
den gestalterischen wie wirtschaftlichen Ansprüchen aller
Beteiligen gerecht wurde. Gleichzeitig lockerte die fixierte, in
Typologien und Raumfiguren gebannte Repräsentation der
Realität des Ausgangsmaterials die Architekten aus der
Finalität eines Raum- und Funktionsprogramms, weil sie den
konkreten historischen Raum als Situation, als Potential von
Möglichkeiten auswies schon bevor er mit einer konkreten
Nutzungsvorstellung bespielt werden musste.
Planerisches Handlungsvermögen umfasste bei der
Errichtung des Uni-Campus demnach beides: kritische Analyse
ebenso wie Selbstentwürfe. Ein anderes Modell der
Ortsgebun-denheit von Planung wie das hier praktizierte,
hätte implizit die "Unschuld" von Raum und damit
einhergehend ein universelles Planungs-Subjekt angenommen und
wäre daher wahrscheinlich weit öfter in Konflikte
sowohl mit der Logik der vorhandenen Substanz und ihrer
räumlichen Grammatik wie andererseits der Programmatik der
Nutzungsvorstellungen gekommen.
Den Prozess dieser Planung beschreiben die Architekten in
diesem Buch daher auch mehr oder minder als einen erzwingenden:
Planen bedeutete gewissermaßen von der Substanz
›gezwungen zu werden‹, und zwar gezwungen, die im
Gutachterverfahren und in der ersten Planungsphase schon
erarbeiteten Regeln, Normen oder Konventionen durch das
fortwährende Ausgleichen zwischen den Notwendigkeiten, die
von der Substanz selbst gefordert wurden, denen, die von den
Nutzern mit mehr als nur Funktionsvorstellungen im Lauf der
ersten Planungsphase gefordert wurden und denen, die ein
äußerst knapp bemessenes Budget auferlegte. (Der
Beitrag von Architekt Zeininger in diesem Band ist ein ebenso
luzides wie präzises Dokument dafür, wie strukturelle
Planung der formbestimmten in Aufgaben wie dieser überlegen
sein kann.) Die Planung war sozusagen immer neu zu autorisieren.
Es gab also niemals identische Wiederholungen, sondern immer
Abweichungen, Verfehlungen. Konkurrenz erwuchs dieser
Planungsökonomie andernorts. Konkurrenz erwuchs ihr dort, wo
das Prinzip der Grenzziehung formuliert werden musste, wo
Ökonomie und Gestaltung nicht als Gegensatz, sondern als die
beiden Seiten der Medaille gesehen wurden. Friedrich Kurrent
beklagt in seinem Beitrag in diesem Buch zurecht, das Scheitern
der Planer an einigen nicht unwesentlichen Punkten des
Projektes.
Eine der großen Leistungen der Architekten bestand
darin, dass sie bewiesen haben, dass in solchen durch Vorgaben
bestimmten Projektverhältnissen das Ergebnis nicht von
vornherein determiniert sein muss. Planung, Architektur hat auch
dort die Möglichkeit, Verhältnisse zu verändern:
Sie kann sie "durcharbeiten". Falls das Selbstverständnis
der Planer auf dem Durcharbeiten eben dieses diskursiven
Prozesses beruht, dann ist die ›Instanz‹ des
Handelns in den Möglichkeiten der Umdeutung, die durch den
Diskurs eröffnet werden, zu lokalisieren. In diesem Sinne
war hier die Architektur Horizont der
Handlungsfähigkeit".
In der von den Bauherren vorgegebenen und vorgestellten
Konzeption von Umbau als bautechnische und nicht als
baukünstlerische Aufgabe sind Planer als produktive Akteure
impliziert. Doch sind sie dies nicht explizit als Architekten mit
Gestaltungskompetenz.
Architektur bedeutet hier dann aber mehr als
baukünstlerische Gestaltung, sie bedeutet die Anerkennung
der historischen und der faktischen Konstitution von Bau und
Auftrag und gleichzeitig die Möglichkeit zur Verweigerung,
auf eine bestimmte Weise vom Auftrag konstituiert zu werden .
Für die Architektur heißt das: Ihre
Selbstverhältnisse sind immer konstituiert durch
Machtverhältnisse. Es sind Praktiken zu sich, die man wohl
am ehesten mit dem etwas aus der Mode gekommenen Begriff der
Haltung umschreiben könnte - als eine Haltung, die den
Willen voraussetzt "nicht so, nicht dermaßen, nicht um
diesen Preis regiert zu werden.
Eine der Lehren aus dem zähen Prozess dieses Aushandelns
als wesentliche Umbauaufgabe könnte für andere sein:
Statt in Konstitutionsprozessen hauptsächlich Zwänge zu
sehen und zu theoretisieren, sollte Architektur expliziter ihre
Möglichkeiten nutzen, Akteurin in Prozessen zu sein in denen
neue, andere Formen von Planung erfunden und kreiert werden
müssen.
Das formale Ergebnis dieser Arbeit hängt also nicht
allein von einem physischen Ort ab, vom Verständnis dieses
ganz bestimmten Areals. Es geht vielmehr auch um einen
funktionalen Prozess, eine Operation zwischen zwei Situationen,
eine Aufzeichnung institutioneller und diskursiver
Zugehörigkeiten. Die informative Situation hat eine Textur
in der sich physische Gegebenheiten und anderes überlagern:
ein allegorischer Ort, der mehr als nur eine starre Bauaufgabe
ist, nämlich etwas Vorübergehendes, eine Bewegung, eine
Kette von Inhalten ohne zentrale Bedeutung steht hier gegen einen
physischen Ort, dessen Geschichte und Situierung im Gefüge
der Stadt erhalten und uminterpretiert werden muss.
Was könnte nun das Resultat eines so gearteten Bestandes
von mehr oder weniger zentralistischen Vorgaben und mehr oder
weniger dezentralen Entscheidungsprozessen sein? Die Antwort des
Projekts Uni-Campus ist - eine städtische Sonderfigur mit
räumlicher Kohärenz.
Zusammengefasst bildet sich also in der jetzt nahezu
fertiggestellten Anlage ein System von Praktiken ab, das sich vom
gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Druck nicht
abkoppeln, sondern für diese durchlässig sein wollte.
Beim Innenausbau zum Beispiel wurde auf Design-Details
verzichtet, er wurde aber trotzdem nicht ausschließlich
nach Standardkonventionen des Bundeshochbaus durchgeführt,
sondern gewissermaßen als institutionelle Verkleidung
definiert, d.h. als eine im Sinn der Gestaltungsparameter
normative Konvention, die auch einer symbolischen Funktion dient.
Die scheinbar idealen architektonischen Versatzstücke
wurden, mit anderen Worten, wie kodierte Mechanismen behandelt.
Gerade in der Führung etwa der Installationssysteme für
Licht und Vernetzung als Schnittstelle vieler zwischen
Räumen und Ökonomien, die zwar untereinander verbunden,
aber dennoch unterschieden sind.
Die institutionellen Konventionen wurden dekodiert und/oder
umkodiert, ein Vorgang, bei dem ihre versteckten, jedoch
motivierten Operationen zu Tage traten. Das bedeutete auch, die
Verfahren zu entlarven, mit denen die Institutionen die Bedeutung
von Architektur so zurechtstutzen, dass sich deren kultureller
und ökonomischer Wert regulieren lässt, und es bedeutet
schließlich die Täuschung zu unterlaufen, die in der
Behauptung der "Autonomie" von Gestaltung steckt, indem diese in
ihrer engen Verknüpfung zu den umfassenderen Entwicklungen
ihrer Zeit gezeigt werden.
Auf diese Weise entwickelte sich ein "Ort" der Architektur und
überschritt seine Anbindung an den buchstäblichen Raum
der Gestaltung. Die physischen Voraussetzungen des Standortes
traten als primärer Bestandteil der Konzeption des Ortes
zurück. Gleichgültig, ob in politische und
ökonomische Kategorien gekleidet - es sind eher die
Techniken und Effekte der Planung insofern sie die Definition,
Produktion, Präsentation und Verbreitung der Architektur
betrafen, die als Orte der kritischen Intervention auserkoren
wurden.
Die Möglichkeiten, im Ort mehr zu sehen als nur den
Standort - ihn beispielsweise zu entwerfen als unterschlagene
Geschichte, als politische Angelegenheit -, war demnach der
entscheidende konzeptuelle Schritt vorwärts in Richtung auf
die Neudefinition der neuen "öffentlichen" Rolle des Areals
- und zwar sowohl im buchstäblichen Sinn einer physischen
Trennung der Planungsaufgabe vom Standort als auch im
metaphorischen Sinn, d.h. in der diskursiven Mobilisierung des
Ortes.
Zwischen einem Modell der Assimilation - das Kunstwerk strebt
einer Integration mit der bestehenden Umgebung zu und trägt
bei zu einem vereinheitlichten, "harmonischen" Raum - und einem
Modell der Unterbrechung, bei dem Architektur eine kritische
Intervention in den bestehenden Zusammenhang darstellt.
Beitrag Otto Wagner Städtebau Preis 1998/
Universitätscamus der UNI Wien
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