SMART Block Geblergasse für ein GUTES LEBEN in der Stadt | Schaubild RfM
v.l.n.r.: Franz Vogl/Bauconsult Energy; Johannes Zeininger/Architekt; Susanne Reppé/Stadt Wien, MA 50, Wohnbauforschung; Andrea Kinsperger/Stadt Wien, MA 20; Franziska Trebut/ÖGUT; Werner Auer/Wohnfonds Wien; Stephan Renner/EUKommission, Horizon 2020; Gerlinde Mückstein/Klimafonds; Thomas Kreitmayer/Stadt Wien, MA 20
Entwicklungskonzept des Anergienetzes ausgehend von der Startzelle Geblergasse 11 + 13
Mit einer Probebohrung und einem Thermal Response Test wird gestartet
Die Zugänglichkeit von Hofflächen ist in der dicht bebauten Stadt oft Maßarbeit
Die Herstellung des Geothermiefeldes erfordert eine transparente Kommunikation mit der Nachbarschaft
Solarmatten nehmen die Solarenergie auf und beschicken das Geothermiefeld im Sommer
Hybridkollektoren nutzen die benten Standflächen auf doppelte Weise
Die Haustechnikzentrale bildet den 1 Energieknoten im sich entwickelnden Anergienetz
Heizen und Kühlen wird mit gängigen Techniken im Boden und in der Decke umgesetzt
Das Gute Leben in der bestehenden dichten Stadt kann beginnen!
Bundesverband Geothermie: Geothermie Insights - Kalte Nahwärme (Wien)
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SMART BLOCK_Geblergasse | Energiewende
in der bestehenden Stadt
Die Energiewende ist im Wiener Althausbestand angekommen – am Hernalser Gürtel entsteht das 1. nachhaltige Anergienetz in einem gründerzeitlichen Häuserblock. Erstmals wird eine nachhaltige Solar- und Geothermie basierte Energieversorgung schrittweise für einen Gründerzeit-Häuserblock realisiert. Ziel ist es, ein dezentrales Anergienetz für einen Häuserblock mit 18 Liegenschaften aufzubauen. Die Starteinheit bilden 2 nebeneinander liegende, typische Bestandsgebäude der Wiener Vorstadt, die um 1865 errichtet wurden. Im Zuge eines »Sockelsanierungsverfahrens«, einer für Wien spezifischen Wohnbauförderungsschiene für bewohnte Bestandssanierungen, wird zusätzlich als Pilotprojekt die weitgehende Dekarbonisierung einer blockweisen Energieversorgung gestartet.
2-stufige Forschungsarbeit Smart Block als Grundlage für den Realisierungsentscheid
Im Rahmen der Initiative von Smart City Wien Rahmenstrategien wurde das Vorhaben in einem 1. Schritt mit der Studie: SMART BLOCK_ gemeinsam besser sanieren gefördert, um den inhaltlichen Bedarf der Sanierung gründerzeitlicher Stadtteile Wiens zukunftsorientiert zu erfassen. Das Ergebnis kurz zusammengefasst: Gemeinschaftliches Vorgehen bringt Freude im Alltag, schont die Umwelt, spart Energie und Geld für die Beteiligten und sichert ein gutes Leben für möglichst viele Bewohnerinnen und Bewohner. Die vertiefende Studie SMART BLOCK II Energy, gefördert durch den klima + energie fonds, konzentrierte sich auf einen konkreten Untersuchungsblock mit großer Bevölkerungsdichte und Sanierungsbedarf. Den Schwerpunkt bilden folgende Themen:
- Liegenschaften übergreifende lokale Erzeugung von und Versorgung mit erneuerbarer Energie
- Entwicklung von standortspezifischen, alternativen urbanen Mobilitätskonzepten
- Entwicklung alternativer Finanzierungsmodelle für Energie- und Mobilitätsversorgung
- Aufbau von Kommunikationsstrukturen und Prozessmodellen für die Umsetzung
SMART BLOCK_Geblergasse geht in die Umsetzung
Die positiven Ergebnisse der Studie und die dabei ermittelten ökonomischen Rahmenbedingungen führten in einer 3. Phase ab August 2018 zur Umsetzung des Pilotprojekts SMART BLOCK_Geblergasse. Dabei wird eine auf Solarenergie und Geothermie basierende Wärme- und teilweise Stromversorgung schrittweise für einen gesamten Häuserblock umgesetzt. Geothermisch wird durch einen ausgeklügelten, saisonalen Energieshift die Sonnenwärme des Sommers im Erdreich in bis zu 110 m Tiefe vor Ort eingelagert. Der ca. 20 °C kühle Rückfluss wird konditioniert durch eine reversible Wärmepumpe zur Temperierung des sommerlichen Wohnungsklimas über die Fußbodenheizungen (20 Watt/m² Eintrag) verwendet. Im Winterbetrieb dient der geothermisch sommerlich aufgeladene Bodenspeicher mittel Wärmepumpe (Arbeitszahl 6 bis 7!) für die Beheizung und ganzjährig für die Warmwasser Bereitstellung. Damit wird über das Jahr im Gegensatz zu herkömmlichen Geothermieanlagen ein energetischer Kreislauf im Niedrigtemperaturbereich erreicht der liegenschaftsübergreifend mit einem Anergienetz schrittweise ausgebaut wird. Nach einer fast einjährigen Erkundung und Verhandlungen mit 4 Energieunternehmen wurde zur technischen und wirtschaftlichen Umsetzung des Energiekonzepts im Block ein Contractor gefunden, der unternehmerisch agil, mit einem langfristigen Vertrag diese neue Aufgabe übernimmt. Wirtschaftliche Zielvorgabe war, die Energiekosten für Heizung und Warmwasser für die Mieterschaft unter den Kosten der Wiener Fernwärme zu halten. Die sommerliche Temperierung ist als Flat rate inkludiert. Eine 30 % Förderung der Anlagekosten durch das Land Wien für das Pilotprojekt zur Errichtung eines dezentralen Anergienetzes machte das Ziel möglich.
Der Einbau eines Geothermiefeldes bei beengten Platzverhältnissen
Eine Herausforderung für die Errichtung von Geothermieanlagen in dicht bebauten Stadtteilen ist die Erreichbarkeit der Hofflächen. Das geplante Geothermiefeld im Hof konnte nur über einen 1,60 × 2,80 m großen Durchgang erreicht werden. Die geologischen Verhältnisse ließen nach einer Probebohrung und eines Thermal Response Tests eine bis zu 110 m tiefe Mergelschicht erwarten, deren Leitfähigkeit gut geeignet ist. 18 Bohrungen wurden im Abstand von 4–5 m gesetzt, um eine Sondenbatterie als saisonal wirkender Massespeicher anzulegen. Im Bereich der Hofbebauung wurden die Bohrachsen leicht geneigt um den Geländekörper unter den Gebäuden ebenfalls zu aktivieren.
SMART BLOCK_Geblergasse geht in die 1. Betriebsstufe
Seit Oktober 2019 wird im ersten fertiggestellten Gebäude geheizt. Seit Juli 2020 wurde das System zum ersten Mal auf Kühlung umgestellt und die Bewohnerschaft war sofort begeistert. Entgegen herkömmlichen Klimaanlagen, die aus Kosten- und Effizienzgründen alle Fassadenöffnungen geschlossen halten müssen und überwiegend im Umluftbetrieb mit den bekannten hygienischen Nachteilen betrieben werden, ist der Boden der Wohnungen hier kühl temperiert. Über geöffnete, beschattete Fenster- und Türöffnungen zu den vorgelagerten Außenbereichen ist ein angenehmes Raumklima möglich. Ein neuartiges Gefühl, wie die Bewohner und Bewohnerinnen berichten.
Die Warmwasserbereitung erfolgt ebenfalls im Niedrigtemperaturbereich bis 45 °C als von der Heizung/Kühlung getrennter Kreislauf. In den Wohnungen sind an zentraler Verbraucherstelle 120 Liter Speicher mit Wärmetauscher untergebracht, die die Wärmeenergie in das Nutzwasser übertragen. Zusätzlich können über einen E-Heizstab im Speicher die Temperatur bei Bedarf individuell angehoben werden. Dies fördert das systemreflektierende Nutzungsverhalten, das einen wichtigen Teilaspekt in der Gesamtkonzeption für das Gebrauchs- und Verbrauchsbewusstsein der Bewohnerschaft darstellt. Die Frischluftzufuhr in der kalten Jahreszeit wird über ein zentrales Unterdrucksystem mit Zentralventilatoren am Dach aufgebaut. Sämtliche Aufenthaltsräume haben Zuluftöffnungen in den Fensterkonstruktionen eingebaut. In den zentral gelegenen Nassräumen der Wohnungen wird über Luftfeuchte gesteuerte Ventile der erforderliche Frischluftstrom gesteuert und die Fortluft über Dach abgeführt. Die Gefahr der Schimmelbildung durch zu hohe Luftfeuchtigkeit bei dicht verschlossenen Fenstern, ein Problem das besonders in Altbauten nach Sanierungsmaßnahmen auftritt, ist so ausgeschaltet.
Die Nutzung von Geothermie als Beitrag zur Dekarbonisierung unserer Städte
Mit der Umsetzung des Pilotprojekts SMART BLOCK_Geblergasse soll gezeigt werden, dass zeitgemäße Nutzung von Geothermie einen wesentlichen Anteil an den gesetzten Zielen der Dekarbonisierung unserer Städte spielen wird und muss. Zukünftig wird in bestehenden Siedlungsgebieten ein großmaßstäblicher und städtebaulich koordinierter Einsatz von Geothermie dafür notwendig werden. Zur Bewältigung der zunehmenden sommerlicheren Überwärmung unserer Städte ist dieses Kreislaufsystem ein noch viel zu wenig beachtete Chance bei der nachhaltigen Bewältigung der Klimakrise in unseren Städten.
Ein Ausblick auf die Entwicklung unserer Städte
Die Erzeugung von Wärme und Kühlung ist verantwortlich für 51 % des Endenergieverbrauchs in Europa und rund 27 % der CO₂-Emissionen. Die Dekarbonisierung von Warmwasserbereitung, Heizung und Kühlung ist eine große Herausforderung um die transnational beschlossenen Klimaziele zu erreichen. Geothermie steht für die Nutzung von Erdwärme und dient zugleich als saisonaler Energiespeicher. Im Gegensatz zu aktuellen PV-Strategien steht Geothermie erst am Anfang bei der energetischen Neuausrichtung unserer Städte. Das nachhaltige Kreislaufpotential und die Effizienz im Wärme- und Kühlbereich muss erst für Stake holder und Nutzerschaft erschlossen werden. Eine Aufgabe, die im erforderlichen großmaßstäblichen Einsatz und dem notwendigen hohen Vernetzungsgrad der Systeme eine neue Herausforderung bei der geschäftlichen Entwicklung und Planung darstellt. Hier gilt es, durch tatkräftige Pilotmaßnahmen, attraktive Anschauungsbeispiele und medial aufbereiteten Response der Nutzerschaft die Entwicklung in der Bevölkerung zu stärken und in der Politik zu verankern.
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