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Liesbeth Waechter-Böhm (Die Presse, 20. März
1993)
Profil durch Profilit
Freundlich, hell, billig: Ein Verlagshaus mit angeschlossener Druckerei in Wien-Floridsdorf
Die erste etwas größere Arbeit eines jungen
Architekturbüros: ein Erweiterungsbau zu einem bestehenden
Druckereigebäude und ein kleines Bürohaus, in dem zwei
Wirtschaftsverlage untergebracht sind. All dies direkt an der
Schnellbahn, in der Scheydgasse in Wien-Floridsdorf.
Sie fällt einem natürlich schon von weitem auf,
diese Gewerbeanlage der Architekten Johannes und Angelika
Zeininger. Obwohl -besser noch: gerade weil sie auf den ersten
Blick so besonders schlicht ist. Die Betonung liegt auf
"besonders". Denn tatsächlich wird zum Straßenraum hin
diese Wirkung von Schlichtheit mit einem recht spezifischen
Mittel erzielt. Was sofort auffällt, ist nämlich die
Fassade des dreigeschoßigen, mit sanftem Schwung gerundeten
Kopfbaus. Da schimmert es, zwischen den einfachen
Fensterbändern, eigentümlich grün und kristallen.
Und wenn man dann näher tritt, sieht man, daß diese
Fassade eine Glashaut hat, eine Haut aus dem banalen
Industrieglas-Werkstoff Profilit.
Profilit ist nicht durchsichtig, sondern durchscheinend; es
weist eine erstaunlich hohe Festigkeit auf, es ist
widerstandsfähig; und es ist äußerst
kostengünstig. Und hier, an der Fassade des kleinen
Verlagshauses, sind die charakteristischen Profilit-Bahnen so
verlegt, daß man das, was darunter ist, sieht. Man sieht
die tellerartigen, weiblichen Befestigungen der
Wärmedämmung darunter, man sieht gewisse
Überlappungen dieses Materials. Die Architekten haben - aus
optischen Gründen - die unteren Schichten ihres
Fassadenaufbaus mit einem grünen Netz überspannt, und
dieses Netz zeigt nun Risse. Auch die sieht man. Das kränkt
die Architekten, aber es stört in Wahrheit kaum. Im
Gegenteil: Die merkwürdige Diskrepanz zwischen der
kristallinen Exaktheit der Haut und den malerischen
Unregelmäßigkeiten darunter ist durchaus reizvoll.
Johannes und Angelika Zeininger haben sich aber keineswegs nur
bei der Entwicklung ihrer neuartigen Fassade angestrengt. Auch im
Verlagshaus selbst stößt man allenthalben auf
ungewöhnliche Lösungen.
Noch von außen betrachtet ist es schon einmal
ungewöhnlich, daß sie die Erdgeschoßzone des
Kopfbaus dem Fetisch Auto geopfert haben: Denn hier befinden sich
die Stellplätze. Das erklärt sich aus dem knappen
Grundstückszuschnitt, den es bis zum letzten auszunutzen
galt. Und das ist auch der Grund, weshalb das Gebäude ganz
vorne an der Baulinie errichtet wurde. Das heißt, es ragt
in den Straßenraum hinein und überragt die
dahinterliegende, alte Wohnbebauung, die es in diesem
Industriegebiet auch noch gibt, schon jetzt. Dabei haben die
Architekten die mögliche Bauhöhe von 24 Metern nicht
einmal voll ausgenutzt, weil es beim Bauherrn den entsprechenden
Bedarf einstweilen nicht gibt. Aber sie haben die
Möglichkeit einer Aufstockung des Gebäudes um zwei
weitere Geschoße von vornherein eingeplant. Wie sie ja auch
die Möglichkeit mitkalkuliert haben, daß die
Stellplätze einmal auf ein Nachbargrundstück
ausgelagert werden; in diesem Fall würde das Erdgeschoß mit
einer Verglasung geschlossen und ein Verkaufs- und
Ausstellungsraum untergebracht. Immer noch von außen
betrachtet, fällt hier, in der offenen Erdgeschoßzone,
außerdem ein gewaltiger Stahlbetonrahmen auf. Diesem
geschoßhohen Konstruktionsteil begegnet man dann auch
innen, in den Büros. Die Architekten und der Bauingenieur
haben ihren Ehrgeiz darein gesetzt, die Konstruktion einerseits
zu zeigen, andererseits aber so weit wie möglich
auszudünnen. Dadurch ist es zu dieser Lösung gekommen:
freistehende Stützen mit einem geringen Querschnitt und zur
Aussteifung des Bauwerks eine Konstruktion aus solchen
übereinandergestellten Betonrahmen.
Die Anbindung des neuen Verlagshauses an das bestehende
Druckereigebäude erfolgt denkbar einfach: mit einem
Massivbau, in dem das unscheinbare Stiegenhaus und ein recht
dominanter Lift geführt sind. Wer hier eintritt, ist
eigentlich nicht aufgefordert, zu Fuß zu gehen.
Aber hat man diesen sehr kargen und neutralen Zugang erst
hinter sich und tritt im ersten Obergeschoß ein, dann ist
die Überraschung umso größer: Man kommt
nämlich in einen dreigeschoßigen Raum, der auf der
straßenabgewandten Seite liegt und eine neun Meter hohe
Glasfront hat.
Hinter dieser Glasfront und mit einigem Abstand von ihr liegen
die Erschließungsgänge des zweiten und dritten
Obergeschoßes. Die Architekten hatten sie ursprünglich
als offene Laubengänge konzipiert, als ein
pawlatschenartiges Element sozusagen, aber das wurde
baubehördlich untersagt, sodaß sie jetzt verglast
sind. Im Grunde kein Schaden: Die verschiedenen Schichten des
Bauwerks treten dadurch eher deutlicher hervor.
Architekt Zeininger weist im Zusammenhang mit der
innenräumlichen Lösung auf Plischkes Liesinger
Arbeitsamt und auf die Bankfiliale der Arbeitsgruppe 4 am
Floridsdorfer Spitz hin. Das heißt, Büros mit einer
oder zwei Fensterachsen Breite hatten die Architekten nicht im
Sinn, sondern lichtdurchflutete und sehr flexible
Großraumbüros, in denen, wie gesagt, das konstruktiv
bedingte Rahmenelement ein deutliches Signal setzt. Der
Innenausbau der Büroetagen ist relativ bescheiden und
pragmatisch: Industrieböden aus Holz, an der Decke ein
Schienenraster, von dem die Beleuchtungskörper beliebig
abgehängt werden können, unter den Fensterbändern
zur Straße hin eine Versorgungsschiene für die
Elektrizität. Wo Wände sind, haben sie Oberlichten.
Zusätzliche Trennelemente, die sich die Angestellten
gewünscht haben, sind aus Glas. Die Raumwirkung, die sich
die Architekten vorgestellt haben Freundlichkeit, Leichtigkeit,
Transparenz -, die haben sie jedenfalls ohne Abstriche erreicht.
Sicher beruht das Konzept dieses Bauwerks auf einer spezifischen
Konstellation: Denn der Bauherr betreibt sowohl die Druckerei als
auch die beiden Verlage, das heißt, die verschiedenen
Unternehmen sind zwar separiert, aber eben doch miteinander
verknüpft. Und genau diesen funktionellen Zusammenhang, den
drückt das Gebäude sichtbar und spürbar aus.
Interessant übrigens auch, wie die Architekten im Fall des
Produktionshallen-Zubaus vorgegangen sind. Es ist ein niedriges
und nüchternes Bauwerk, das ebenfalls eine Profilitfassade
hat. Nur ist das Profilit hier ganz anders verwendet: als
zweischalige und damit lichtdurchlässige Konstruktion, die
für angenehme, natürlich belichtete
Arbeitsverhältnisse sorgt. Der Hallenzuschnitt - das
Gebäude verjüngt sich konisch - mutet ein wenig
eigenartig, dabei durchaus schwungvoll an. Er stellt sich dann
aber nicht als architektonische Gestaltungsmaßnahme,
sondern als eine Folge der gegebenen Grundstücksgrenzen
heraus. Hätte ersteres zugetroffen, man könnte von
einer willkürlichen Manieriertheit sprechen. So aber hat die
Sache ihre willkommene Rechtfertigung. Mag sein, daß der
Preisdruck, unter dem diese Gewerbeanlage realisiert worden ist,
extrem groß war. Mag auch sein, daß die
Schwierigkeiten enorm gewesen sind, trotz der Zusammenarbeit mit
Billigstbietern eine gewisse Ausführungsqualität zu
erzielen. Sicher ist, die Anstrengung hat sich gelohnt.
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