Städtebauliche Expertise Sofiensäle, Wien 2004

Verfahren

Auftraggeber:

Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 21A, Stadtteilplanung und Flächennutzung Innen-West.

Teilnehmende Experten:

  • Wolf Dieter Prix
  • Manfred Wehdorn
  • Szyszkowitz/Kowalski
  • Gisela Podreka
  • Johannes M. Zeininger

Link: Offizielle Homepage

Projektteam zeininger architekten

  • Johannes Zeininger
  • Angelika Zeininger
  • Hubert Marz
  • Thomas Scheiblauer
  • Sebastian Soukup
  • Marc Wohlschak

Der Ort

Der Baublock mit den ehemaligen Sofiensälen liegt in einem zentral gelegenen Wohngebiet des 3. Bezirks. Die Bebauungsstruktur mit einer weitgehend homogenen Blockstruktur verkörpert einen Teil jenes anonymen Stadtkörpers, der sich zwischen Stadtzentrum und Peripherie erstreckt und den Dieter Hoffmann Axthelm als den Träger urbaner Lebensform und Stadtkultur definiert. Peripherie und Zentrum sind dabei die beiden arbeitsteiligen Enden ein und derselben Sache.

Er schreibt: ". . . Auf beiden Ebenen ist zweckdienlich genau das ausgegrenzt, was tatsächlich anders ist, was der neuen globalen Weltordnung von Zentrum und Peripherie Widerstand leistet - (nämlich) die großen urbanisierten oder sich wieder urbanisierenden Bereiche zwischen Zentrum und Peripherie mit ihren Millionen Bewohnern."

Es wird damit auf jenen Bereich der Stadt verwiesen, der sich nach Gründung der Kernstädte ab dem 13. Jahrhundert vor den Toren der Stadtbefestigungen als Vorstadtgebiet ausgebildet hat und in der Folge bis zum Ende des Industriezeitalters der Motor von Stadtentwicklung und Urbanität war. Es ist diese Mittelzone mit ihrem dicht bevölkerten urbanen Gefüge, die in ihrem Bedürfnis zu Zentrum und Peripherie oft in prekärem Widerspruch steht. Von der Degenerierung zum Durchgangsraum bedroht, sind Strategien gefragt, und werden auch mittlerweile angewendet, die im Schatten der marktgängigen Trends der großen Einheiten jene Lebensqualität erhalten und teilweise rekonstruieren helfen, die das Stadtleben attraktiv machen.

Das Bearbeitungsgebiet ist mit diesem Potential ausgestattet. Es hat den Anschein, als wäre das Geviert in ruhiger Lage und von allen notwendigen städtischen Schnitt- und Versorgungsstellen annähernd gleichweit entfernt. Alles leicht erreichbar, aber mit jenem Maß an Distanz ausgestattet, die einen städtischen Lebensraum auszeichnet.

Die Bauruine

Es ist unübersehbar, der Nimbus der „Sofiensäle“ und der traurige Rest der Bauruine driften unüberbrückbar auseinander.

Ein Spaziergang im digitalen Raum des www gibt dem Cyber- Flaneur mehr von den Facetten dieser Veranstaltungsstätte preis als der verbliebene Rest des Bestands. Seit dem Wiener Kongress dem Bedürfnis der Wiener nach Zerstreunung und Entspannung dienend, wurde hier gebadet, getanzt, hat man sich amüsiert. Der Hallenbau war von Anbeginn der Tanzboden des Wiener Walzers, Karajan hat hier die Tonträgerära der E-Musik eingeläutet und in der Ravercommunity der 90ér Jahre finden sich wahre Heldensagas zur coolen Location.

Die Sofiensäle dürfen nicht sterben!

Begeht man heute das Gebäude stellen sich andere Eindrücke ein. Kommt man stadtauswärts die Marxergasse entlang, liegt der kompakte Restbau wie ein freigelegter Torso am Gelände. Durch die erhebliche Zerstörung des eigentlich historisch wertvollen Saalbaus selbst, einschließlich dem Verlust seiner markanten Silhouette, übernimmt das Vestibül in seiner secessionistischen Manier und räumlich banalen Konzeption als heil gebliebener Kopf des Ganzen die Aufgabe der Bereitstellung von Erinnerungs- bzw. Identifizierungsmerkmalen. Eine unbefriedigende Situation.

Viel spannender ist dafür die Annäherung an der Rückseite über die Kegelgasse. Da wo früher der Bühnenteil (ebenfalls ein späterer Einbau) stand, klafft nun ein gewaltiges Loch, das auf die gesamte Breite des Saals den Blick in den Innenraum freigibt. Das Fehlen des Dachs lenkt die Wahrnehmung weg vom einst so glorios beschriebenen Innenraum, auf die tektonische Erscheinung der verbliebenen 3 Umfassungswände. Ihre klare Struktur und der konstruktiv bedingte, einfache Duktus ziehen heute den unvoreingenommenen Betrachter in deren Bann.

Bedingt durch die Sprengung der räumlichen Einheit von Innen und Außen richtet sich das Interesse auf die verbliebene Umfassung selbst. Neben der verrottenden Oberflächenausstattung der dem ehemaligen Saal zugewandten Seite ist in der Pfeilerform selbst eine klare Ausrichtung der Querschnittsgeometrie erkennbar. In der Höhenentwicklung übernimmt der noch an 3 Seiten vorhanden Gesimsabschluss mit den seitlichen Konsolen für die Dachkonstruktion eine klare Definition eines neu entstandenen, imaginären Raums. Die Hochlage des Saals auf ca. 4,5 m über Straßenniveau stärkt diesen Eindruck.

Innen und Außen - das hier durcheinander gekommene Bezugssystem kann den Ansatz eines architektonischen Konzepts des Weiterbauens geben.

Der Nutzungsansatz

° Hotel

° Wohnen

Nach Rücksprache mit Fachleuten der Immobilienentwicklung konnten folgenden Randbedingungen für ein Nutzungskonzept ausgemacht werden:

Hotelnutzung

Der Standort ist für einen Hotelbetrieb als sensibel einzustufen. Es wird vor allem auf die sich verschärfende Konkurrenzsituation im qualitativ gehobenerem Bereich durch die Mitbewerber im Bereich Wien Mitte hingewiesen, die bei optimalen Verkehrsanbindungen enorme, kommerziell nutzbare Flächen anbieten werden können. Im Bereich der innerstädtischen Seminarhotels hat der Ausbau des Hilton Vienna zum größten Konferenzhotel Wiens zusätzlichen Bedarf in Wien eingeschränkt.

Zur Zeit sind laut Expertenmeinung wegen fehlender risikobereiter Kapitalgeber Hotelprojekte kaum zu realisieren. Hotelprojekte in ähnlicher Lage, wie das, für das ehemalige Steyrgebäude am Schwarzenbergplatz am Standort der ehemaligen Staatdruckerei am Rennweg liegen auf Eis. Zusätzliche Nachfrage nach Hotelbau lässt sich nur verstärkt im kostengünstigen Preissegment ausmachen, wo mit niedrigen Zimmerpreisen bei großem Komfortangebot gepunktet wird. Günstige und verkehrsgünstige Liegenschaften, eher in Stadtrandlage, kommen dafür in Betracht.

Das nicht Zustandekommen des baubehördlich genehmigten Seminarhotels Sofiensäle bestärkt diese Situationsdarstellung.

Wohnnutzung

Der Standort ist für ein anspruchvolles Wohnbauprojekt gut geeignet. Der Markt signalisiert eine rege Nachfrage. Die Projekt kann auch frei finanziert werden. Themenwohnen wäre ein geeignetes Marketingkonzept dafür.

Ein eingebetteter Mix mit Geschäften und Büros müsste profund vorbereitet werden, da für Büros generell von einem gesättigten Markt auszugehen ist und bei Geschäften von einer schwachen Frequenzlage mit nur geringem Steigerungspotential auszugehen ist.

Durch eine geeignete Themenwahl bei der Projektentwicklung können jedoch durchaus Marktnischen aufgetan und erfolgreich genutzt werden. Bei Büroraum wären die größeren Firmen der näheren Umgebung und deren mittelfristiger Bürobedarf mit in die Projektierung einzubeziehen. Alternativ kann über ein Themenprojekt die Synergie der Funktionskategorien Wohnen und Arbeiten genutzt werden. Das Thema muss hautnah die Bedürfnisse einer städtischen Klientel ansprechen und in der Folge deutlich erkennbar (im Vergleich zur Gesamtanbotssituation) abdecken.

Der funktionelle Ansatz

° Mediencluster

° Stadtleben

Das Projekt verfolgt ein erweitertes Konzept des „Themenwohnens“.

Die Sofiensäle und die damit geschichtlich verbundene Nutzung als Veranstaltungsstätte sollen bruchlos nur durch eine Richtungskorrektur den zeitgemäßen Anforderungen an einen innerstädtischen Standort und eine ökonomisch realisierbare Lösung angepasst werden.

Da an diesem Standort ein touristisches Großprojekt unter Einbezug der Sofiensäle als Konferenz- und Veranstaltungssaal aus unserer Sicht auf absehbare Zeit kaum realisierbar scheint und eine zusätzliche Wiener Kultureinrichtung seitens der öffentlichen Hand in direkter oder indirekter Form unterstützt nicht zur Diskussion steht wurden verwandte Nutzungen gesucht.

MC Sofiensäle

Wir schlagen das Themenprojekt eines Medienclusters vor. Wir verstehen darunter ein Projekt, das unter dem inhaltlichen Mantel der Creative Industries aus dem Bereich der Sende-, Film- und Printmedien adäquaten Raum zum Arbeiten und Wohnen für Berufstätige und deren Umfeld zur Verfügung stellt.

Verfolgt man die Entwicklung der Medienlandschaft ist ein Strukturwandel unübersehbar. Staatliche Monopole werden rückgebaut, neue Vernetzungen der unterschiedlichsten Gruppen aufgebaut. Print- und Bildmedien durchdringen ihre Aufgabenfelder gegenseitig. Die hoch entwickelten Produktionsbedingungen ermöglichen die Aufteilung und Vereinfachung des Produktionsprozesses. Geänderte Hör- und Sehgewohnheiten der Nutzer, wie der generelle alltägliche Umgang mit dem medialen Flow begünstigen diese Entwicklung. Die Stadtzeitung Falter und der TV-Sender Puls-TV sind hier als exemplarische Vorreiter dieser Branche anzusehen.

Zielgruppen sind neben den Kernbereichen der medialen Produktion kooperierende Branchen wie Werbeagenturen, Grafik- und Designbüros, Musik- und Filmverlage, Agenturen, Meinungsforscher, Technischer Spezialsupport und Ausrüstungsfirmen bis hin zu themenbezogen eingebetteten Verwaltungsorganisationen und Dienstleistern für Steuerrecht, Berufsvertretung und Urheberschutz.

Im allgemeinen Wandel der Beziehung von Arbeit zum Lebensalltag sind die Akteure im Kreativbereich in einer Vorreiterrolle und verstehen sich großteils auch so. Der Übergang von Arbeit und Freizeit, Anstrengung und Entspannung ist oft schwer auszumachen. Arbeits- und Wohnbedürfnisse sind in zunehmendem Maße affin und stellen multifunktionale Anforderungen an die genutzten Räume.

Für kleinteilige Produktionsstrukturen ist ein mentales Dach, ein Signet, von zunehmender Bedeutung um in den schnell fluktuierenden Märkten positioniert zu sein. Eine branchenspezifische ausgeprägte Verdichtung, wie sie im ländlichen Raum bei der Konzeption von Fachmarktclustern zur Zeit erfolgreich mit großer Dynamik entwickelt werden, soll diese verstärkte Positionierung auch hier ermöglichen.

Der stadträumliche Ansatz

° Neuer Platz

° Passarelle

° Hülle in Gold

° Hundertwasserhaus

Mit dem Projekt MC Sofiensäle wird versucht die am Areal vorhandene Substanz sowohl auf der Bedeutungsebene wie der des physischen Bestandes für diese integrierende und Verortung stiftende Qualität zu nutzen. Absicht ist, den Standort im Stadtkörper weiterhin als besonderer Ort aufgeladen zu halten. Dies wird mit einer Doppelstrategie versucht.

Durch die Möglichkeit der weitgehenden Neubebauung wird der Baublock mit einem neu geschaffenen, öffentlichen Platzraum verlinkt. An der NO-Ecke des Blocks soll ein Treff im Grätzel entstehen, der die Öffentlichkeitsbedürfnisse der Nachbarschaft focusieren hilft. Die Kegelgasse wird auf Blocklänge verkehrsberuhigt. Städtebauliches Vorbild ist dafür der Siebensternplatz im 7. Wiener Gemeindebezirk, der durch ähnliche Maßnahmen von einem Unraum zu einem belebten Subzentrum von Neubau wurde.

Der neue (Johann Strauß)- Vater und Sohn-Platz wird als stadträumliche Bereicherung der homogenen Blockrasterbebauung dieses Wohnquartiers vorgeschlagen. Durch die Zurücknahme der Bebauung im straßenraumrelevanten Bereich, durch die Schaffung einer Passarelle als öffentlichen Durchquerungsmöglichkeit des Baublocks, die platzbezogene Baukörperausformung und durch die niveaugleiche Verkehrsberuhigung des öffentlichen Raums wird dieser Platzraum definiert. An dieser Schnittstelle von Mediencluster und öffentlichem Platz sind ein gastronomischer Betrieb und touristisch nutzbare musikbezogene Einrichtungen angelagert. Eine in den Platzraum ausgreifende Terrasse bildet das Gegenstück zur Terrasse des Hunderwasserhauses, die zueinander in direktem Sichtkontakt stehen.

Stadträumlich wird versucht dem MC Sofiensäle als bauliche Einheit ein unverwechselbares Erscheinungsbild in Form und funktionellem Angebot zu geben. Wir verlassen uns dabei nicht auf kleinteilige pittoreske Erkennungsmerkmale und historische Versatzstücke, die in ein neues Projekt spolienhaft eingebaut werden, sondern arbeiten mit einfachen aber klaren Metaphern die einen Bezug mit der konkreten stadträumlichen und kulturellen Situation im Wien des 21. Jahrhunderts herstellen sollen.

Hier sind 3 Absichten maßgeblich.

1.

Die Einhüllung des Gebäudekomplexes an seinen öffentlichen Schauseiten in einen goldenen Schleier. Gold übernimmt hier die Funktion einer Fährte durch Raum und Zeit. Assoziiert mit dem goldenen Zeitalter Wiener Lebensart, dem goldenen Wiener Herz, der Goldenen Ära des Wiener Walzers und den durch gleißendes Gold alles überstrahlenden Johann Strauß im Stadtpark bis hin zum Hundertwasserhaus, das diese schimmernde Botschaft des Wienertums ebenfalls breitenwirksam zu vermitteln versucht.

2.

Die Verknüpfung des Standorts Hundertwasserhaus mit dem des MC Sofiensäle. Wegen des Blickkontakts zum Hundertwasserhaus, einem der frequentiertesten Wiener Tourismusstandorte, wird versucht eine Spur zum MC Sofiensäle zu legen und so den Standort auch international ins mediale Interesse zu rücken. Inhaltlich wird dies neben der Geschichtsträchtigkeit des Orts durch die Ansiedlung einer Strauß-Dynastie-Foundation unterfüttert, die auf Sichtweite zur bestehenden Attraktion die Touristen mit zusätzlichen spezifisch wienerischen Information und Erlebnissen bedient. Eine musikwissenschaftliche Institutseinrichtung, dem Wiener Walzer gewidmet, sollte dieses Angebot ergänzen und kann hier öffentlichwirksam für Kulturtouristen und der Fachwelt zusätzliche vertiefende Eindrücke und Erkenntnisse bereitstellen.

3.

Für das Wohnquartier wird an der Ecke Blattgasse Kegelgasse der öffentliche Raum zu einem kleinen Platzraum aufgeweitet. Der Kopfbau der Neubebauung ist von den bisherigen Baufluchten zurückgenommen. Im Vorfeld wird die Blattgasse auf Blocklänge um 2 Meter erweitert um die Rythmisierung des Straßenprofils, von Richtung Esteplatz kommend, fortzusetzen. Der angestrebten Ausnutzung der BKL IV und die besondere Art der Sockelzone als „Auslage in Arbeit“ soll einen hellen, Aktivität ausstrahlenden Straßenraum erzeugen der in einen Eckplatz mündet.

Städtebaulich wird vorgeschlagen die Kegelgasse auf Baublocklänge zu verkehrsberuhigen. Dabei ist eine Zonierung in 2 Teile vorgesehen. Um den Kopfbau an der Ecke Blattgasse wird ein „Aktionsplatz geschaffen, der sowohl touristische Infrastruktur, Gastronomie und Veranstaltungsfläche sein kann. Die Passarelle über die Liegenschaft Sofiensäle wird fußläufig nahezu die Diritissima Richtung Wien Mitte und die Innere Stadt über die Marxergasse freigegeben. Der Einzugsbereich vom Standort Hundertwasserhaus wurde hier berücksichtigt. Die ausladende, zusätzlichen öffentlichen Raum schaffende Bauform des Kopfbaus markiert den neuen Eckplatz.

Die andere Hälfte des verkehrsberuhigten Teils der Kegelgasse, wo das bestehenden Straßenprofil bestehen bleibt, wir an der besonnten Seite mit Bäumen bepflanzt. Eine Schanigartenzone und öffentliche Sitzgelegenheiten sind dort vorgesehen.

Der denkmalpflegerische Ansatz

Durch den Brand sind die Sofiensäle in ihrem historischen Bestand unwiederbringlich als Denkmal zerstört. Was blieb ist eine Ruine. Wie weit die Ruine eines geschützten Bauwerks geschützt werden kann, bleibt im Lichte der jüngsten Ereignisse wohl letztlich den Gerichten überlassen.

Der denkmalrelevante Kern der Sofiensäle soll aus unserer Sicht in das Konzept des Neubaus als Baustruktur integriert werden. Die verlustig gegangene Raumform des Sofiensaals wird durch den Neubau transformiert und uminterpretiert. Dabei wird ähnlich einem Bühnenraum die Außenseite des heraus gelösten Saalbaus auf ihre konstruktive Struktur freigelegt. Die Mauerwerk soll als Sichtfläche nur witterungstauglich verfugt und durch Steinplatten abgedeckt sichtbar bleiben. Die Saalinnenseite wird auf der Grundlage des Bauzustands nach den Einbau des Galeriegeschoßes soweit wieder hergestellt, dass die architektonische Instrumentierung erhalten bleibt.

Das sezessionistische Vestibül mit den Treppenaufgängen wird aufgegeben und zu Gunsten der einheitlichen neuen Hülle und eines klaren Bauvolumens im Stadtraum abgebrochen. Wir halten diese Vorgangsweise in Anbetracht der wirtschaftlichen Randbedingungen, den Intentionen des Eigentümers und der Unmöglichkeit, den architektonisch nicht sonderlich bemerkenswerten Räumen ohne starke, aufgesetzt wirkende Adaptierungsmaßnahmen eine neue Funktion zuzuordnen, für gerechtfertigt. Eine Kolagierung der Fassadenausbildung durch Neu auf Alt an der Marxergasse ohne vitalen Funktionsverweis können wir uns nicht vorstellen.

Der architektonische Ansatz

Der Neubau nimmt den Konstruktionsraster des Hallenbaus als Strukturraster auf. Die Hauptabmessungen des Saals bestimmen auch die Proportionierung und Rythmisierung der neuen Baukörper. Aus einem Innenraum wird ein ambivalenter Außenraum. Durch die Transformation wird eine neue andere Raumqualität geschaffen.

Die an 3 Seiten erhalten geblieben Umfassungswände des Saals definieren in Zukunft den zentralen Ort (das Herz) der Anlage, der als übergeordneter Repräsentationsraum, als Informations- und Begegnungsraum für die Nutzer des MC Sofiensäle dienen soll. Er ist für die Gesamtanlage strukturierendes Volumen und verbindender Aktionsraum.

Die erhalten gebliebenen Umfassungswände werden unterschiedlich behandelt. An der Ost- und Südseite wird an die Saalwände angebaut, an der Westseite steht die Saalwand frei und bringt sich mit ihren regelhaften Öffnungen zum „Bühnenraum“ hin als Raumobjekt und Wandschirm ein. Eine flache Rampe von der Marxergasse her ansteigend, durchschneidet einem Catwalk gleich den ehemaligen Saalraum und zieht in die Kegelgasse, um nach einer Kehrtwendung bis auf die historische Höhenlage des Saals von 4,5 m über Straßenniveau am Rückweg anzusteigen. Begleitende bzw. eingreifende Treppen und eine Liftanlage variieren die Wegführung. Der mit Eichenbohlen eingedeckte „Innenplatz“ wird als urbane Bühne in Sinne Richard Sennet´s verstanden. Dieser „Bühnenraum“ ist nach oben durch die Widerlager der ursprünglichen Holzbinderkonstruktion an den Längsseiten des Saals definiert die anstatt der zerstörten Konstruktion eine gesimsartige Abdeckung aus präzisen Faserbetonfertigteilen erhalten. Von der Ostseite her wird das Saalgeviert von zwei auskragenden Geschoßen auf in etwa die Hälfte der Breite überbaut. Eine mobile, wetterfeste Textileindeckung, die auf einer Spannseilkonstruktion von dezentralen kleinen Elektromotoren bewegt wird, lässt eine temporäre transluzente Einhausung der zweiten Hälfte zu.

In den Bühnenboden sind zwei Atrien eingeschnitten, die zur Belichtung und räumlichen Verschränkung der Sockelzone beitragen. Über die freistehende Westwand hinweg und durch ihre Öffnungen hindurch ragen Balkonkonstruktionen des dahinter liegenden Baukörpers, der durch die Passerelle auf Straßenniveau vom ehemaligen Saal getrennt wird. Hier ist die Außenseite der ehemaligen Saalwand mit ihren über 12 Meter hohen Strebepfeilern raumprägend. In ihre Nischen sind der historischen Zweckbestimmung in abgewandelter Form folgend, Balkon- und Loggiakonstruktionen eingebaut. Die bewitterten Horizontalflächen werden mit hellen Steinplatten abgedeckt.

Durch Rampen und Atrien werden die Raum bildenden Wand- und Deckenelemente angeschnitten. Die Schnittflächen sind nahezu rahmenlos verglast und ermöglichen Blickkontakte, Lichteinfall und die Herstellung einer leichtgewichtigen Konstruktionsausprägung der Einbauten. Geländer sind weitgehend in Nurglas-Konstruktionen oder in schlanken Vollprofilen aus Stahl hergestellt um die Transparenz und Luftigkeit der Architektur noch zu steigern.

Für die Innenstruktur des MC Sofiensäle wurde ein übergreifendes Begriffs-, Gestaltungs-, Material- und Organisationssystem erarbeitet. Ausgehend von den Begriffen

Alt/ Neu

Erhaltung/ Verlust/ Hinzufügung

Raum/ Struktur

Innen/ Außen

Ganzes/ Teil

Denken/ Arbeiten/ Wohnen/ Erholen/ Schauen

Öffentlich/ Privat

Präsentation/ Experimentierfeld/ Show

den Elementen

Bühne/ Platz/ Hof

Schlitz/ Durchstich/ Catwalk

Grünraum/ Pflanzen/ Natur

Werkstatt/ Büro/ Wohnung/ Loft/ Ausstellung

wird eine thematische Bindung angestrebt.

Das Bebauungskonzept

Der Bebauungsvorschlag sieht eine Randbebauung in geschlossener Bauweise mit den Stadtraum akzentuierenden Besonderheiten vor.

BKL IV, Dachausbau +4,5 m, örtlich bis 7,5 m

Die Baukörper an der Straßenflucht sind auf der historischen Saalgeometrie des Sofiensaal fußend an den Gebäudefronten der Marxergasse und Blattgasse jeweils einmal ausgesetzt um den Baukörper diesbezüglich zu gliedern.

Straßenseitige Erkervorbauten sind nicht erwünscht.

In der Blattgasse wird die Bauflucht auf 17 m Straßenbreite zurückgesetzt.

In der Kegelgasse wird die geschlossene Bauweise unterbrochen und der Bauraum auf die Schaffung eines Platzraumes hin eingeschränkt. Die Baufluchtlinie wird hier auch durch ein angestrebtes Straßenprofil von 17 m Breite und der auskragenden Geometrie des Kopfbaus bestimmt.

Das Hineinziehen eines Terrassenbaus als attraktive Stadtmöblierung mit Aufgang in den Platzraum ist widmungsmäßig zu berücksichtigen.

Der Bereich des ehemaligen Sofiensaals selbst ist als Platzraum wie ein Flachbau mit nur 1- geschoßiger Überbauung zu betrachten. Der von den historischen Saalwänden definierte Außenraum soll aber beweglich überdeckt werden können.

An der Marxergasse ist die Gebäudefront in 2 Bauteile gegliedert. Ein Fassadenschlitz markiert den Zugangsbereich in das Blockinnere.

Der an den Bestand anschließende Baukörper wurde mit einer Trakttiefe von 13 m mit hofseits einseitiger Erschließung entwickelt. Gegen Westen ist eine durchgehende in ihrer Tiefe entsprechend der jeweiligen Nutzungsform unterschiedlich tiefe Loggiazone vorgesehen die auch einen zusammenhängenden 2-geschoßigen Außenraum ermöglichen kann. Für den Mediencluster wurden vor allem loftartige Wohneinheiten mit einem überproportionalen Anteil an Maissonetten berücksichtigt.

Der darauf folgende Baukörper schließt hofseitig an den „Bühnenraum“ des MC Sofiensäle an. Bei ca. 9 m Trakttiefe ist ebenfalls ein Mix aus eingeschossigen und 2- geschossigen Lofts vorgesehen, die auch eine Orientierung in den zentralen Hof der Anlage haben.

An der Blattgasse wird nach ähnlichem Prinzip ein Trakt auf die Saallänge zwischen zurückgesetzter Baulinie und Saalwand errichtet. Die Trakttiefe variiert von ca. 16 m bis zu 10 m am ehemaligen Saalende.

Die Sockelzone wird durch die historische Höhe des Sofiensaalniveaus von +4,5 m bestimmt. Es wird vorgeschlagen, den 2 Meter breiten Grundstreifen als Lichtgraben für Arbeitsräume im UG vorzusehen. Formales Leitbild sind ähnliche Konzeptionen in London, die einen intensiven Außenbezug bei gleichzeitiger Wahrung der Distanz gegenüber Passanten gewährleisten. Das EG wird als Hockparterre ausgeführt. Generell sind in der EG-Zone Arbeitsbereiche für Büros und Studios angedacht. Nur in der Marxergasse sind ein Supermarkt für die Nahversorgung ( unter dem ehemaligen Sofiensaal) und nach Bedarf einige kleine Geschäfte vorstellbar.

In das Sockelgeschoß an der Unterbrechung der Gebäudefront in der Blattgasse ist die zentrale Tiefgarage des MC Sofiensäle vorgesehen. Durch Einbahnregelung und 2-spurige Fahrbahn ist die Einbindung in den fließenden Verkehr übersichtlich und problemlos möglich.

Der darauf folgende Baukörper folgt der Blattgasse und schließt als Kopfbau den Block zum neu konzipierten Platz an der NO-Ecke des Baublocks ab. Er ist skulptural in einfacher Weise zum Platz hin auskragend ausgeformt. Ab dem 2.OG kragt der Bau in 8 m Höhe ca. 10 m in den Platzraum und bildet ein schützendes Vordach. Im Sockelbereich sind ein gastronomischer Betrieb und die Zugänge der Erweiterungsmöglichkeiten in die Obergeschoße haben. Der Gastrobetrieb ist auch funktionelles Bindeglied, da er die Ebene des Platzes mit der Ebene der Halle/Bühne des MC Sofiensäle verbindet und gastronomisch versorgt.

Die Dachzone bilden Penthouseeinheiten die teilweise 2-geschossig (+7,5 m BKL IV) konzipiert sind.

Im Blockinneren ist ein OW- orientierter Trakt mit Anbindung an die Randbebauung der Marxergasse vorgesehen der sich zur anrainenden Nachbarschaft hin um einen 2-geschoßigen Flachbau erweitert.

BKL V, Dachausbau +4,5 m

Die Baukörper wurde mit einer Trakttiefe von 16 m so konzipiert, dass für die Wohnungskonzeption sowohl eine Mittelgangerschließung als auch eine einseitige Erschließung entwickelt werden kann. Gegen Westen ist eine durchgehende Loggiazone vorgesehen die einen zusammenhängenden 2-geschoßigen Außenraum ermöglicht. Für den Mediencluster wurden vor allem loftartige Wohneinheiten mit einem überproportionalen Anteil an Maissonetten berücksichtigt. Bei einer Gebäudeprojektierung sollte der Trakt in mehreren Raumsequenzen mit unterschiedlichen Raumhöhen zoniert und mit einem differenzierten Erschließungssystem und angelagerten Gemeinschafts- und Nebenflächen ausgestattet werden. Sichtbezüge auf den Sofiensaal sind dabei verstärkt zu berücksichtigen um dessen „Bühnenfunktion zu verstärken.

Die Dachzone bilden Penthouseeinheiten, die auf Grund der Bauhöhe den Fernblick auf die Innere Stadt und in den Prater freigeben.

Das 2.OG wird als Freigeschoss vorgeschlagen. Es bildet die räumliche Zäsur zwischen dem darunter liegenden Flachbau und dem aufgestelzten Loftriegel.

Lediglich an die Stiegenhäuser angeschlossene kleine gläserne Pavillons stellen konditionierte Bereiche für allgemeine Aktivitäten zur Verfügung. Dieses offene Geschoß dient dem Vernetzen von Sichtbeziehung und der Verbesserung des Mikroklimas im Baublock und gibt das begrünte und teilweise topografisch bearbeitete Dach des 2-geschoßigen Flachbaus für Freizeit und Rekreationsaktivitäten der Nutzer frei. Die Ebene ist über Stege mit dem Sofiensaal direkt über die Passerelle hinweg verbunden. Ein Aufgang einschließlich des TG-Lifts von der Park- und Spielplatzfläche auf Straßenniveau sorgt für den öffentlichen Zugang dieses Areals.

Im Sockelbereich (EG + 1.OG) wurde eine tiefe Bebauung konzipiert, die die nach Westen kammartig um begrünte Atriumhöfe angeordnet ist. Gegen Osten schließ sie an die auf Straßenniveau gelegene Passerelle an, die mit 5 m Breite auch einen Lieferverkehr ermöglicht. Die Nutzung sollte bevorzugt 2-geschoßig erfolgen, kann jedoch auch geschoßweise über die Stiegenhäuser erschlossen werden.

Das Baumassenkonzept

Der vorgegebene Richtwert von 75.000 m³ für den Baublock wird mit dem Bebauungskonzept überschritten.

Vergleicht man die bestehende Bebauung auf den bereits bebauten Grundstücken, so war auf Grundlage der bisherig gültigen Bebauungsvorschriften dort bereits eine proportional wesentlich höhere Dichte (GFZ ~ 4,44) als der Summenrichtwert (GFZ ~3,51) zugelassen. Die tatsächliche gründerzeitliche Bebauung ist darüber hinaus noch dichter.

Der Bebauungsvorschlag sieht unter der Annahme, dass gegenüber den bereits vollständig bebauten Parzellen keine weitere Rückstufung der Bebaubarkeit sinnvoll ist, für die Liegenschaft Sofiensäle eine um 29% zurückgenommene Dichte vor. Es wird dabei eine GFZ von 3,66 erzielt. Das ist um 0,5 Punkte höher, als der Vorgabewert von 75.000 m³ evoziert, allerdings um 0,78 Punkte niedriger als für die übrigen Grundstücke im Block.

Es sind dabei projektspezifische, volumenrelevante Randbedingungen zu beachten. Der MC Sofiensäle ist über alle Geschoße funktionell als ein Zwitter aus Wohn– und Arbeitsnutzung vorgesehen. Ein wichtiges Marketingargument werden die gegenüber Mindeststandards angebotenen größeren Raumhöhen sein. Sie werden in Verbindung mit 2-geschoßigen Zusammenschaltungen und Splitt-Levellösungen zum nutzungsoffenen angestrebten flexiblen Loftcharakter beitragen. Die Regelgeschoßhöhe wurde daher mit 3,0 m angenommen.

Im Bereich des straßenraumbezogenen Sockelzone beträgt die Regelgeschoßhöhe für das Erdgeschoß und das 1.OG zusammen 8 m. Eine differenzierte Raumgliederung entsprechen der Bedürfnisse der Nutzer nach Arbeitsstätte und Repräsentationserfordernissen lässt hier eine flexieble Gestaltung der Höhen zu. Es kann mit diesem Konzept auch problemlos an das Niveau des zentralen Platzes des Komplexes angedockt werden.

Die 8 Meter Sockelzone bildet innerhalb der Baukörpergliederung eine wiederkehrende Zäsur. Im Bereich des neuen Platzes Ecke Blattgasse Kegelgasse wird die Höhenlage der Auskragung des Kopfbaus bestimmt. Diese soll sich auch bei der Ausgestaltung der Feuermauer von Kegelgasse 18 fortsetzen.

Der Trakt im Block Inneren ist von der 8 Meter hohen Sockelzone um 1 Geschoß abgesetzt. Durchblick , räumlicher Zusammenhang von Aktionsraum mit ruhigeren Regenerationszonen und Verbesserung der Mikroklimas sind dafür maßgeblich.

Die Blockrandbebauung ist umlaufen in gleicher Höhen von 20,25 m bei 6 Vollgeschoßen gehalten. Der Innentrakt erfährt durch die Anhebung im 3.OG eine Hochstufung in BKL V um Vollgeschoß.

Der Straßenraum in der Blattgasse wird um 2 Meter erweitert um stadträumlich offener zu werden und mit dem Konzept „Auslage in Arbeit“ auf bis zu 3 Ebenen (einschließlich eines abgesenkten, über einen Lichtgraben belichtetes Arbeitsraumspange) den Inhalt einer zeitgemäßen, intensiven und kreativen Arbeitswelt an sich in die Öffentlichkeit zu kommunizieren.

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