Johannes Zeininger
Peripherie im Kontext des zentristischen Stadtbegriffs
Die Ästetik der Peripherie formt die Kontur des urbanen
Alltags
Ich möchte einen Versuch starten, mich dem Thema
Peripherie - Urbaner Raum über den Begriff von Innerer
Peripherie zu nähern.
Neben den "städtischen Schlüsselzonen" Zentrum und
Peripherie sind auch strukturändernde Maßnahmen im
urbanen Weichbild der Stadt - der ehemaligen Vorstadt -
festzustellen. Diese künden stellenweise von einer
anlaufenden Gegenstrategie, mit der gegen die These von der
Überholtheit der Stadt angekämpft wird.
Drei Wiener Beispiele sollen typenhaft das mögliche Feld
urbaner Restrukturierung an Orten von Innerer Peripherie
ausloten.
• Erstes Beispiel
Die Ottakringer Brauerei -
als Beispiel für die große Einheit
Hier geht es um die Restrukturierung eines
Betriebsgeländes durch Austausch der Bausubstanz und
Nutzung.
Szenario ist: der Grundeigentümer bzw. eine
Großinvestorengruppe schafft nach international orientiertem
Developing eine optimierte Großimmobilie an einem
risikoreichen Standort, in der Anonymität des
Stadtraums.
Dabei kommt der vertieften Kooperation mit der Stadtverwaltung
wegen der labilen Standortbedingung und der Abstimmung der
infrastrukturellen Stützungsmaßnahmen große
Bedeutung zu. Der marktverpflichteten Bilderproduktion von
urbanistischen Visionen der Initiatoren steht dabei die Frage
nach den sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf das
angrenzende, von Grenzrentabilitäten gekennzeichnete Umfeld
gegenüber.
• Zweites Beispiel
Das Alte AKH -
als Beispiel für eine Umnutzung des Bestandes
Hier geht es um die Restrukturierung eines
Betriebsgeländes durch Austausch der Nutzung unter
Beibehaltung er Bausubstanz.
Ein 10 Hektar großes Betriebsareal eines
Großkrankenhauses wird für universitäre Zwecke in
ausgezeichneter zentrumsnaher Lage umgenutzt. Ein
Charakteristikum ist die außerordentlich niedrige
Bebauungsdichte und der große Grünflächenanteil,
der durch Schenkungsmodalitäten der Stadt Wien an die
Universität langfristig gesichert wurde. Diese
Sonderstellung belässt den neuen Unicampus als
unterscheidbaren Stadtpartikel im verdichteten
Stadtkörper.
Die Einbindung des bisherigen Betriebsgeländes in das
urbane Geflecht von Wegverbindungen und die Nutzbarmachung des
Grünraums für die Stadtbevölkerung bilden neben
der funktionellen Restrukturierung der Anlage die Schwerpunkte
der bereits realisierten Arbeit.
• Drittes Beispiel
Das Nordbahnhofgebäude -
als Beispiel für einen Stadtumbau
Hier geht es um die Restrukturierung eines
Betriebsgeländes im Ausmaß eines Stadtteils von
zentraler stadtpolitischer Bedeutung.
Im Zuge eines langfristigen stadtpolitischen Leitziels soll
eine zentrale urbane Spange vom historischen Stadtzentrum entlang
einer verkehrstechnisch gut ausgebauten Achse über die Donau
entwickelt werden. Dabei kommt dem Betriebsareal des Nordbahnhofs
eine urbane Schlüsselstellung zu.
Die vorliegenden Stadtbaukonzepte setzen auf eine
städtisch durchmischte Auffüllung des Areals im Duktus
seiner angrenzenden Bebauung. Die Nähe zur Donau findet
besondere Berücksichtigung.
Die Frage nach den Realisierungschancen zeigt die Grenzen
städtischen Wollens im Interessensstreit mit
gesamtstaatlichen beziehungsweise regionalen Zielsetzungen auf.
An Projekten dieser Größenordnung kann der aktuelle
Stand im Wettbewerb von grenzübergreifender Regionalpolitik
mit zentristischen Metropolenstrategien überprüft
werden.
Alle 3 typologisch differenzierten Beispiele haben als
Ausgangspunkt eine mögliche oder tatsächliche
Betriebsbrache, wie sie im postindustriellen Zeitalter
reihenweise anfallen. Die Standorte sind nicht die der heutigen
Peripherie.
Sie werden als Innere Peripherien des Stadtraums aufgefasst.
Die leichte Verfügbarkeit von peripherem Raum suggerierend,
besteht bei der Restrukturierung dieser Gebiete die Gefahr, dass
an den komplexen urbanen Fragestellungen vorbeilaviert wird.
Innere Peripherien, also offene Einschlüsse innerhalb des
Stadtkörpers sollten nicht als neutrale Einsprengsel im
Stadtraum aufgefasst werden.
Die Systemtheorie postuliert, dass die operative
Schließung eines Systems Voraussetzung für seine
Offenheit in Bezug auf die Umwelt ist.
Niklas Luhmann schreibt dazu:
Nur geschlossene Systeme, die sich selbst von ihrer Umwelt
unterscheiden können, können sich mit ihren eigenen
Operationen auf das einstellen, was sie als Information der
Umwelt zurechnen und nicht sich selbst.
Für die Politik folgert er daraus, daß die Eigenart
des politischen Systems der modernen Gesellschaft man in jenen
Formen findet, mit denen es Geschlossenheit und Offenheit bei
steigender Komplexität des Systems und seiner Umwelt immer
mehr kombinieren kann.
Prozesse stetiger Entgrenzung finden nur zum Schein statt!
Richard Sennett weist in seinem Buch "über den
Verfall und das Ende des öffentlichen Lebens" auf die
Tyrannei einer sich schrankenlos gebärdenden Intimität
als Verhaltenscodex des modernen Menschen hin.
Der moderne Mensch versucht aus einer emotionalen Unsicherheit
heraus, dem ihn entlarvenden Rollenagieren zu entfliehen.
Zunehmend begibt er sich dabei in die passive und misstrauische
Pose des reinen Beobachters von öffentlichem Raum und
erstarrt als Akteur.
Segregation und Angst vor Fremden, wobei alles fremd ist,
womit nicht eine rückhaltlose unmittelbare Intimität
der Beziehung aufgebaut werden kann, bestimmen die Paranoia
dieser entgrenzenden Sehnsucht.
Dem gegenüber steht nach Sennett die Bühne Stadt,
mit ihrer Anonymität sichernden, in Rollen gebundenen
Möglichkeit zu agieren. Auch im dichten "Gewühl" von
unterschiedlichsten sozialen und gesellschaftlichen
Alltagssituationen kann innerhalb von selbsterforschten
Konventionsgrenzen, schwindelfrei und aktiv Kommunikation mit dem
Anderen hergestellt werden.
"Spielraum ist in unseren Städten gefragt, nicht
Abstandsfläche."
Ihn zu schaffen, ihn zurückzuerobern, ist meines
Erachtens eines der vorrangigen Ziele im Umgang mit
städtischem Raum.
Region und Stadt
Die sich aus entgrenzten Peripherien heraus definierenden
Regionen sind heute die großen Gegenspieler der Stadt.
Als Bündnisse mobiler, vernetzter Peripherien operieren
diese heute als die großen Mehrwert- Kumulatoren mit der
Forderung nach regionaler Autonomie und geben sich
antistädtisch, antistaatlich und oft auch
antisozialstaatlich.
(Beispiele wären Siliconvalley, ebenso die dynamischen
Zonen Oberitaliens, die den Hintergrund für eine Lega Nord
abgeben, die Region München - Stuttgart, der Großraum
Paris usw. ....)
Peripherie als Randteil der geschichtlichen Stadt hat die
Tendenz sich aus diesem urbanen, dichten Lebensbereich
loszusagen, um in dynamischen, dezentralen, elektronisch
vernetzten und wirtschaftlich potenten Regionen aufzugehen.
Hoffmann Axthelm spricht in dieser Situation von der Stadt in
der Defensive und schlägt folgerichtig die Umpolung der
Sichtweise von Stadt vor.
Das heißt: Die Stadt ist in Hinkunft von der Peripherie
aus zu denken und nicht, wie bisher, von ihrem Zentrum her.
Erst mit dieser Sichtweise lassen sich die aktuellen
Qualitäten des Modells Stadt wieder erfahrbar machen.
Eine aufkommende Stadteuphorie beginnt urbane Vorzüge wie
Raum, Öffentlichkeit, Dunkel, Chaos und Komplexität als
Mangel der prosperierenden Regionen zu begreifen.
Die Stadt kann als Vorstadt der Peripherie neu gesehen
werden.
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