Johannes Zeininger
Periphere Zonen als subversive Felder im geordneten Stadtkörper
(Es sind damit jene subversiven Kräfte gemeint, mit denen
heutige Peripherie den klassischen Stadtbegriff der
zentristischen Stadt in Frage stellt)
Periphere Zonen werden landläufig als ausufernde
Ränder urbaner Siedlungsgebiete wahrgenommen. In der
gängigen Stadtdiskussion wird Peripherie oft dem
Stadtzentrum als polarer Gegensatz entgegengestellt und auf der
Ebene von politisch und ökonomisch greifbaren Unterschieden
argumentiert. Peripherie wird als Übergangszone, als offene
Netzstruktur diskutiert - in der sich Modernität und
mittelständischer Pragmatismus zu politisch austarierten
Randbedingungen ein Betätigungsfeld schaffen
können.
In dieser Antipodenstellung wird der Peripherie im Gegensatz
zum Stadtzentrum ein Ausklinken aus dem historischen Kontext der
Stadt weitgehend zugestanden. Ihre Existenz projiziert sie
zunehmend auf sich selbst.
Doch ist dem so?
Ist nicht auch eine Affinität der agierenden Interessen
und Nutzungsweise in Peripherie und Zentrum festzustellen?
Das Zentrum unserer Städte - es ist die europäische
Stadt, die ich meine - ist innerhalb von "Geschäftszeiten"
Büro, Kaufhaus, Bar oder Beisl; und oft auch Altstadtmuseum.
Außerhalb der Geschäftszeiten sind die Rollbalken
dicht.
Raum für Öffentlichkeit, Politik und Kultur abseits
von Spektakelcharakter kam abhanden.
Auf Massennutzung abzielende Ausstattungsstücke werden
nach globalen Markt- und Markenstrategien in das Zentrum
eingebaut, was eine Angleichung des Erscheinungsbilds unserer
Stadtzentren konsumatorisch kalkuliert nach sich zieht.
Rush hours vollgetankt mit Gestank, Lärm, Staus und
Stress bilden die Anbindung zur Umgebung.
Das strukturelle Gefüge von Peripherie kann ähnlich
gelesen werden.
Die Begünstigung der Suburbanisierung und ihrer fraktalen
Klitterung wird marktstrategisch als Konsumstimulanz verstanden.
In zahlloser Wiederholung von Eigenheimen generiert sich die
Nachfrage im privaten Konsumbereich. Dieser dient
volksökonomisch als national steuerbare Ressource innerhalb
eines globalen Wirtschaftszyklus.
Auch hier weit weg vom Zentrum entstehen große homogene
Einheiten.
Durch die vorhandenen Flächenressourcen bleibt die
Konkurrenz der Nutzung jedoch gering.
Ordnendes Ziel ist die praktikable Distanz.
So entstehen Einfamilienhaussiedlungen im Grünen neben
Produktions- und Verkaufszentren - Infrastruktur-Areale der Stadt
neben Behausungszonen für soziale Randgruppen - Schneisen
für Verkehrssysteme neben und grünen
Erholungsräumen.
Dieter Hoffmann Axthelm ( Berliner Schriftsteller,
Theoretiker, Berater und Planer) sieht daher zwischen Peripherie
und Zentrum die beiden arbeitsteiligen Enden ein und derselben
Sache.
Er schreibt: "Auf beiden Ebenen ist zweckdienlich genau das
ausgegrenzt, was tatsächlich anders ist, was der neuen
globalen Weltordnung von Zentrum und Peripherie Widerstand
leistet - (nämlich) die großen urbanisierten oder sich
wieder urbanisierenden Bereiche zwischen Zentrum und Peripherie
mit ihren Millionen Bewohnern."
Es wird damit auf jenen Bereich der Stadt verwiesen, der sich
nach Gründung der Kernstädte ab dem 13. Jahrhundert vor
den Toren der Stadtbefestigungen als Vorstadtgebiet ausgebildet
hat und in der Folge bis zum Ende des Industriezeitalters der
Motor von Stadtentwicklung war.
Es ist diese Mittelzone mit ihrem dicht bevölkerten
urbanen Gefüge, die in ihrem Bedürfnis zu Zentrum und
Peripherie in prekärem Widerspruch steht. Hier wird wenig
investiert, hier macht sich zunehmend der Eindruck eines
Durchgangsraumes breit.
Wer hier wohnt oder arbeitet, tut dies im Schatten der
marktgängigen Trends.
Wien, 22.02.1999
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